Der Dombaumeister und die Lehrerin

Richard und Eleonore Bechtold sind seit 70 Jahren verheiratet und feierten „Gnaden-Hochzeit“.

Bregenz, Lochau. (fst) Gut siebzig Jahre ist es schon her, als sich eine fesche Lehrerin und ein ebenso fescher und junger Dombaumeister auf einem Ball in Andelsbuch trafen, verliebten und sich wenig später, man schrieb den 1. Februar 1944, das „Jawort“ fürs Leben gaben. „Siebzig Jahre in Lieb’ und Treu’ verbunden ist fürwahr ein sehr seltenes Ereignis“, so meinte der Lochauer Bürgermeister Xaver Sinz, der mit der Lochauer Bürgermusik zum Fest der „Gnadenhochzeit“ dem Jubelpaar Richard und Eleonore „Lore“ Bechtold im Jesuheim in Oberlochau gratulierte. Das war erst die zweite Gnaden-Hochzeit, zu der der Lochauer Langzeitbürgermeister gratulieren durfte.

Beide Jahrgang 1919

1944: Da waren beide 25 Jahre jung. Sie war Lehrerin, er damals der jüngste Dombaumeister im Land. 1938 war ihm mit 19 Jahren in Nürnberg der Meisterbrief überreicht worden. Und als Dombaumeister versprach er sich eine steile Karriere. Die kam dann auch, aber erst in den 1950er-Jahren, als er zwar keinen Dom, dafür aber zahlreiche Hotels – auch in Bregenz – baute, während Lore Volksschüler, zuletzt in der Augasse, unterrichtete. Beide sind waschechte Seebrünzler, Lore wurde am 14. März 1919 in Bregenz geboren, Richard am 4. Mai 1919, ebenfalls in Bregenz. Erst im hohen Alter, als es mühsam wurde, einen eigenen Haushalt zu führen, bezogen sie Zimmer im Jesuheim mit grandiosem Ausblick auf den Bodensee.

Künstlerisches Wirken

Gerne erinnert er sich trotz seines hohen Alters an seine Sturm- und Drangjahre, als er 1944 nicht nur heiratete, sondern auch der Deutschen Wehrmacht den Rücken kehrte, sich auf abenteuerlichen Wegen nach Bregenz durchschlug und sich hier dem Widerstand anschloss. Die Jahre des Wiederaufbaus bescherten ihm reichlich Arbeit, Wohlstand – und zwei Kinder: „Burgalies“ (Elisabeth Burgunda, verw. Türr) und Thomas. Von seinem künstlerischen Wirken zeugen nicht nur die Bauwerke, die er mit schnellen, oft genialen Strichen entwarf und mit sicherem Gespür für gerade noch Machbares umsetzte, sondern auch in den Bildern, die er in Musestunden malte. Dazu kam seine Vorliebe für schnelle Autos und schöne Frauen – wenn er davon erzählt, glänzen seine Augen. Verständlich, dass ihn seine Lore dann mit einem Rempler unsanft aus seinen Erinnerungen holt.

Freude auf den „Hunderter“

Mit dem alten Bregenzer Stadtbaumeister Maier verstand er sich vortrefflich, für dessen Nachfolger findet er weniger freundliche Worte. Vor allem mit den Beamten stand er bis vor wenigen Jahren ständig im Clinch, diese wussten seine künstlerischen Ambitionen nicht immer gebührend zu schätzen, und beharrten stur auf der Bauordnung, was Richard Bechtold seinerseits nicht zur Kenntnis nahm, was die Beziehungen zum städtischen Bauamt trübte. Von einem so abenteuerlichen Leben kann Lore nicht erzählen. Sie entstammt einer Lehrerfamilie, sie und ihre Schwester waren brave Lehrerinnen, ihre Erinnerungen aber sind ein reicher Fundus. Mit 95 Jahren ist es ihr wacher Geist und ein phänomenales Gedächtnis, das jede Unterhaltung mit ihr zum Vergnügen werden lässt und fast ein Jahrhundert Bregenz wieder lebendig macht. Jetzt genießen beide einen ruhigen Lebensabend und freuen sich bereits auf ihren 100. Geburtstag und die kronjuwelen-Hochzeit – die beiden Bregenzer, die beschlossen haben in Oberlochau, wo sie liebevoll aufgenommen wurden, ihren Lebensabend zu verbringen.

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