Was ein Dorf zusammenhält

Bei den Land|Gesprächen in Hittisau am 8. Oktober steht das Zusammenleben im Dorf im Fokus.

Hittisau. Das Zusammenleben und die gewünschte Willens- bzw. Entscheidungsbildung im Dorf stehen im Mittelpunkt der diesjährigen Land|Gespräche in Hittisau. Vieles hat sich in den letzten Jahren im Dorf geändert: Während vielerorts enorme Investitionen in Infrastruktur, Kinderbetreuung, Schulbildung, Gesundheitsversorgung, Barrierefreiheit oder Pflege älterer Menschen getätigt wurden, klagen Bewohnerinnen und Bewohner über eine Ausdünnung des Zwischenmenschlichen. Die Zusammensetzung der Bevölkerung ändert sich in vielen Landgemeinden gerade rasant. Unmut regt sich unter ‚angestammt‘ Einheimischen gegenüber Zugezogenen, die neue Akzente setzen. Politisch Verantwortliche berichten von steigenden Erwartungen bzw. Ansprüchen bei gleichzeitig abnehmender Bereitschaft, sich in Vereinen, Freiwilligenarbeit oder Kommunalpolitik zu engagieren.

Denkanstöße

Wie kann in Zukunft nicht nur die materielle Lebensqualität im Dorf erhalten werden, sondern auch das Miteinander und Gemeinschaftsgefühl gestärkt werden? Individualität ist ein hoher Wert unserer Demokratie. Doch wie kann es gelingen, der Erosion der Nachbarschaft, der zunehmenden Vereinzelung und Anonymität im Dorf entgegenzuwirken? Was ist erforderlich, um das, wofür das Dorf traditionell stand und im romantisierenden Bild vieler heute noch steht – Natur, Lebensqualität und soziale Wärme – zu fördern bzw. wieder entstehen zu lassen? Mit solchen und ähnlichen Fragen werden sich am 8. Oktober 2022 von 13 bis 18 Uhr Fachleute aus Lehre und Praxis in Hittisau befassen, u.a. Prof. Erika Geser-Engleitner/FH Vorarlberg, Dr. Thomas Milic (Liechtenstein-Institut) und Prof. Reinhard Haller. Studierende der FH-Vorarlberg werden die Ergebnisse einer Befragung unter jungen Menschen in und außerhalb des Bregenzerwalds präsentieren. Im Anschluss daran diskutieren engagierte Praktikerinnen und Praktiker aus der Region umsetzbare Ansätze – mit dem Ziel aller Land|Gespräche, „Vom Reden ins Tun“ zu kommen.

Struktureller Wandel

Für Prof. (FH) Dr. Erika Engleitner, Sozialwissenschaftlerin an der FH Vorarlberg, haben gesellschaftliche, wirtschaftliche und technologische Entwicklungen auch in Dörfern Vorarlbergs zu einem tiefgreifenden strukturellen Wandel geführt. „Durch die gesteigerte Mobilität insbesondere des Individualverkehrs, den gut ausgebauten öffentlichen Nah- und Fernverkehrsnetzen und den neuen Kommunikationstechnologien wurde das Ausbildungs-, Arbeits- und Freizeitverhalten auch der ländlichen Bevölkerung wesentlich beeinflusst.“ So habe sich im Laufe der Zeit eine grundsätzliche Umstrukturierung vollzogen und das Dorfleben sich grundlegend verändert.

Veränderung des Dorflebens

Früher selbstverständliche Begegnungsorte wie sonntäglicher Kirchgang, Frühschoppen im Wirtshaus, oder Einkaufen im kleinen Geschäft seien für die Mehrheit Vergangenheit. „Wir kaufen gerne am Online-Markt ein und kontaktieren Nachbarinnen und Nachbarn über virtuelle Plattformen. Straßenkreuzungen und Parkplätze sind die meistfrequentierten Knotenpunkte auch in ländlichen Gemeinden. Das Leben spielt sich vorwiegend im privaten Eigenheim, im Auto, im Einkaufszentrum und am Arbeitsort ab. Das Leben im Dorf ist weniger homogen, diverser und widersprüchlicher geworden“, zieht Geser-Engleitner Resümee. „Wie über und im Dorf gesprochen wird, ist von Bedeutung, da Diskurse die Wirklichkeit prägen. Darum sind die diesjährigen Hittisauer Landgespräche von besonderer Bedeutung. Damit das Wir-Gefühl für möglichst die ganze Bevölkerung gilt und Dörfer wohltuende Begegnungsorte bleiben oder werden“, so die Sozialforscherin. ME

Land|Gespräche|Hittisau

Thema: Gemeinde.Leben

Was ein Dorf zusammenhaält

Samstag, 8. Oktober, 13 bis 18 Uhr

Ritter-von-Bergmann-Saal

Eintritt frei

Anmeldung erforderlich: 05513 6209 250

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