Das Sterben soll Platz im Leben haben

„Zurückkehren zur alten Normalität.“ Das wäre wohl in einen Satz gepackt das Anliegen, das die Besucher*innen eines Austausch-Abend zum Thema „Sterbekultur im Bregenzerwald“ im Dorfsaal Au einte.

In vielerlei Hinsicht. Doch wie geht man damit in Zeiten, in denen das Sterben im Alltag kaum mehr Platz hat und ein neues Sterbeverfügungsgesetz Türen öffnet, um?

 

Hospizbegleiter Luis Bär organisierte federführend den Abend. Mit den Besucher*innen diskutierten neben Seelsorger Elmar Simma und der praktischen Ärztin Heidi Kaufmann auch der frühere Primararzt Albert Lingg sowie der Leiter von Hospiz Vorarlberg, Karl Bitschnau, der den Abend auch moderierte. „Wenn man frühere Kulturen anschaut, kann man von der Art, wie Menschen gestorben sind, auch viel über die Gesellschaft lernen“, betonte Seelsorger Elmar Simma. Die grundsätzliche Haltung der Hospizbewegung ist: „Das Sterben nicht unnötig verlängern, aber auch nicht absichtlich verkürzen.“

Lösungen, die für alle passen

Als praktische Ärztin in Mellau schilderte Heidi Kaufmann ihre Erfahrungen, gerade auch in Bezug auf die schwierigen beiden vergangenen Jahre: „Was den Bregenzerwald auszeichnet, ist sicherlich, dass man Lösungen findet, die für das ganze System passen.“ Auch der Glaube und in der ländlichen Region noch gelebte Rituale geben Halt in Zeiten des Abschied-Nehmens. Corona habe aber die Begleitung sterbender Menschen für Angehörige in den vergangenen Jahren oft sehr schwierig gemacht – Heidi Kaufmann erlebt hier in ihrer Praxis immer wieder, wie Menschen darunter leiden. Und noch einen interessanten Aspekt sprach die Medizinerin an: In den 1970-er-Jahren wurde das Sterben möglichst aus dem Leben ausgeklammert, junge Menschen, die damals aufgewachsen sind, haben die früher gelebte Sterbekultur nicht miterlebt und müssen sie jetzt als reife Erwachsene neu lernen.

Ein gutes Leben bis zuletzt

Der frühere Primar des LKH Rankweil, Albert Lingg, widmete sich im Gespräch dem Thema „Assistierter Suizid“: Umfragen zeigen, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung für die Möglichkeit aktiver Sterbehilfe ausspricht. „Das Grundprinzip des neuen Gesetzes ist es, dass jeder Mensch möglichst selbstbestimmt bis zuletzt sein Leben gestalten kann.“ Aus seiner reichen Erfahrung und enger privater Verbindungen nach Holland – wo ja aktive Sterbehilfe schon lange erlaubt ist – steht er dem jedoch skeptisch gegenüber: „Dort wurde die Möglichkeit zur aktiven Sterbehilfe auch für psychisch kranke und behinderte Menschen ausgeweitet und wird sogar für an Demenz erkrankte Menschen aktiv beworben“, sieht er mit diesem Schritt auch eine massive Veränderung und eine gewisse Verrohung der Gesellschaft einher gehen. „Je mehr wir in der Gesellschaft aufeinander schauen, desto weniger Grund haben wir, den assistierten Suizid anzuwenden.“

Sprechen wir darüber

Albert Lingg empfiehlt ebenso wie der Leiter von Hospiz Vorarlberg, Karl Bitschnau, auch mitten im Leben über das eigene Sterben zu sprechen. „Oft entfachen nach dem Tod eines Angehörigen bei den Hinterbliebenen Diskussionen, ob beispielsweise eine Erd- oder Urnenbestattung gewünscht ist.“ Auch eine Patientenverfügung bringe Entscheidungshilfen, wenn der/die Patient*in nicht mehr selbst für sich entscheiden könne.

Da sein für andere

Luis Bär ist als ehrenamtlich tätiger Hospizbegleiter einer jenen Menschen, die für andere da sind. Seine Beobachtung: „Was zunehmend verloren gegangen ist, ist sicherlich, dass man ganz unbefangen bei alten Menschen vorbeischauen. Aber gerade das wäre so wichtig: Dass die Jungen zu den Alten zu Besuch gehen, jene, die gut zu Fuß sind zu jenen, die es nicht mehr sind.“ Gerade deshalb sei auch die Hospizbegleitung so immens wichtig, betonte Luis Bär: „Der Bedarf wäre so groß. Ich kann auch die Ausbildung wärmstens empfehlen – es ist eine tiefe Erfahrung, die dankbar macht.“

Interessiert?

Hospiz Vorarlberg ist eine Aufgabe der Caritas.

Der ehrenamtliche Einsatz für Hospiz Vorarlberg ist eine herausfordernde, aber auch bereichernde Aufgabe. Für diese Tätigkeit werden die Hospizbegleiter*innen in einem Befähigungskurs gut geschult.

Anmeldung und Information:

Barbara Geiger, T 05522-200 1100

E hospiz@caritas.at oder www.hospiz-vorarlberg.at

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