10 Jahre Kaplan Bonetti Beratungsstelle - Jedes Leben ist voller Wendungen

20110609_01mg_023.JPG22 % der Menschen in Vorarlberg armuts- und ausgrenzungsgefährdet

Die im Herbst 2009 gegründete Kaplan Bonetti Beratungsstelle in Dornbirn ist eine wichtige Säule in der Arbeit für Menschen, die Gefahr laufen, ihre Wohnung zu verlieren oder auf der Suche nach einer leistbaren und menschenwürdigen Wohnung sind.  Ziel war, die Plätze in der stationären Wohnungshilfe zu verringern und die Lücke durch eine ambulante Wohnungslosenhilfe zu schließen. 1.400 Haushalte haben sich 2018 im Bezirk Dornbirn an die Beratungsstelle gewendet– eine Zahl, die aufzeigt, wie hoch der Unterstützungsbedarf ist.

Nahe bei den Menschen

„Die Angebote der Kaplan Bonetti Beratungsstelle umfassen seit 2009 die Beratung im Bereich Wohnungssuche und Existenzsicherung, die Delogierungsprävention, d.h. die Verhinderung von Wohnraumverlust, eine nachgehende Betreuung, mit dem Ziel, eine bestehende Wohnsituation langfristig abzusichern und ein Angebot von Post- und Meldeadresse für de facto obdachlose Menschen. Die Besonderheit dieser Einrichtung ist ihre Niederschwelligkeit durch aufsuchende Sozialarbeit“, erklärt Michael Hämmerle, Bereichsleiter Kaplan Bonetti Beratungsstelle. „Wir agieren rasch und unkompliziert und lassen keinen Menschen ohne Hilfe zurück.“ Die wichtigsten Systempartner seien dabei die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn sowie die Sozial- und Wohnungsabteilungen der Städte Dornbirn und Hohenems, sowie der Marktgemeinde Lustenau, sowie andere Organisationen im sozialen Netzwerk. Derzeit arbeiten 10 MitarbeiterInnen in der Kaplan Bonetti Beratungsstelle.

Kaplan Bonetti als verlässlicher Partner für das Land Vorarlberg

Der Sozialfonds, also Land und Gemeinden, haben dieses Konzept der ambulanten Wohnungslosenhilfe von Anfang an finanziert. Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker betont, wie wichtig diese wertvolle und professionelle Arbeit ist. „Durch die niederschwellige Sozialarbeit ist die Kaplan Bonetti Beratungsstelle oft das letzte Auffangnetz für Familien und Einzelpersonen, damit diese nicht auf der Straße zu stehen.“ Auch die Entwicklung der Arbeit in den letzten 10 Jahren habe gezeigt, dass ambulante Angebote unter der Wahrung von Selbstbestimmung und Individualität nicht nur bedeutend kostengünstiger sind, sondern auch zielführender für die von Wohnungsverlust betroffenen Personen, so Wiesflecker.

Das Vorarlberger Modell der Mindestsicherung funktioniert

„Die Zusammenarbeit mit den Vorarlberger Wohnungslosenhilfe-Einrichtungen wie z.B. die Kaplan Bonetti Beratungsstelle bestätigt einmal mehr, dass das Vorarlberger Modell der Mindestsicherung funktioniert.

Die nun beschlossene Kürzung von sozialen Leistungen auf Bundesebene durch das Grundsatzgesetz zur Sozialhilfe neu ist im Hinblick auf den explodierenden privaten Mietwohnungsmarkt derzeit geradezu absurd“, meint Wiesflecker und fordert dabei die sofortige Rücknahme der beschlossenen Kürzung der Sozialhilfe durch die kommende Regierung.

Jährlich steigende Fallzahlen durch hohe Mietkosten und stagnierende Löhne

„Seit der Gründung vor 10 Jahren haben sich mehrere tausend Menschen an die Kaplan Bonetti Beratungsstelle gewendet. Die Anzahl an KlientInnen hat sich seither jährlich erhöht“, berichtet Michael Hämmerle, Bereichsleiter der Kaplan Bonetti Beratungsstelle. Die Hintergründe und Lebenssituationen dieser Personen seien oft sehr unterschiedlich. Was sie alle gemein hätten, sei die Schwierigkeit, am aktuellen Wohnungsmarkt eine Wohnung zu finden, die sie sich mit ihrem Einkommen auch wirklich leisten können.

„Alleine zwischen den Jahren 2017 und 2018 stiegen die durchschnittlichen Neuvermietungspreise um 11% (vgl. Analyse von Immowelt.de, Jänner 2019). Vorarlberg liegt damit im Bundesländervergleich an der Spitze. Da hält keine Lohnerhöhung mehr mit. Die Folge: Immer mehr Menschen kommen unter Druck“, argumentiert Hämmerle.

Mehr gemeinnütziger Wohnbau, Überarbeitung der Vergaberichtlinien

„Die kommenden neuen Regierungen auf Bundes- und auf Landesebene sind massiv gefordert, die Entwicklung am Wohnungsmarkt endlich zu durchbrechen. Wohnen sei ein Grundbedürfnis und ein Menschenrecht. Es braucht entsprechend einen weiteren umfassenden Ausbau des gemeinnützigen Wohnbaus, sowie ehrliche Anstrengungen für die Umsetzung eines anständigen Mindestlohns“, fordert Michael Hämmerle.

Die Evaluation der bestehenden Wohnungsvergaberichtlinien für gemeinnützige Mietwohnungen in Vorarlberg habe zudem ein paar Schwachstellen gezeigt. Insbesondere die hohe Bewertung von Meldezeiten in den Antragsgemeinden führe dazu, dass wirklich dringende Fälle nicht oder nicht in entsprechender Zahl bei der Wohnungsvergabe berücksichtigt werden. Hier brauche es eine Korrektur mit einer deutlich stärkeren Gewichtung auf die Dringlichkeit, so Hämmerle.

Armut kann jeden treffen

„Wir wissen, dass etwa 22 % der Menschen in Vorarlberg armuts- und ausgrenzungsgefährdet sind“, sagt Pfarrer Erich Baldauf, Aufsichtsratsvorsitzender der Kaplan Bonetti gemeinnützigen GmbH. „Die Gründe für Armut sind vielfältig, Armut kann jeden treffen. Wenn eine Familie oder eine Einzelperson mehr als ein Drittel ihres Einkommens für Wohnkosten ausgeben müssen, braucht es nur oft nur noch eine längere Krankheit, ein Verlust der Arbeitsstelle oder eine Trennung, um in Armut abzurutschen.“ Armut sehe man von außen vielfach nicht, sie sei oft schambehaftet, denn in vielen Fällen bedeute arm sein der Verlust des sozialen Umfelds, so Baldauf.

„Für Menschen, die vor einer Delogierung bewahrt wurden, hat die Begleitung durch die MitarbeiterInnen der Beratungsstelle zur Verhinderung von viel menschlichem Leid bei vielen Betroffenen beigetragen und Wege aufgezeigt, die aus der Krisensituation zurück in ein stabiles Leben mit einer Teilhabe an unserer Gesellschaft führen“, so Pfarrer Baldauf abschließend.

„Jedes Leben“ – 10 Lebensgeschichten

Anlässlich des 10-Jahres-Jubiläums der Kaplan Bonetti Beratungsstelle erscheint ein kleines Buch mit dem Titel „Jedes Leben“. Darin erzählen zehn Menschen ihre Lebensgeschichten, die sie irgendwann an die Beratungsstelle geführt haben. Die Schriftstellerin Daniela Egger hat ihre Lebensgeschichten zusammengetragen. „Diese mutigen Menschen, die hier ihre ganz persönlichen Lebensgeschichten erzählt haben, schildern eindrücklich ihre schwierigen Lebenssituationen und Krisen. Sie berichten auch von den wertvollen Begegnungen mit Menschen, von denen sie Unterstützung erlebt haben“, meint Erich Baldauf.

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Kommentare zu diesem Artikel

  • Einfach schockierend diese Zahlen! Diejenigen, die daran etwas ändern könnten, müssen seit Jahren schlaflose Nächte haben, oder eben daran Geld verdienen, auf Kosten armer Menschen.

    Wäre nicht nur dafür, dass unsere ehemalige, laut posaunende Sozialministerin mit 100 - 400 Euro im Monat durchkommen muss, sondern alle die die Grundrechte des Menschen mit Füssen treten, aber daran was ändern könnten. Und Armut hat viele Gesichter wie die Zahlen verdeutlichen.

    Wenn sich diese Leute mal nichts mehr leisten könnten, der Kühlschrank trotz aller Sonderangebote und Rabatten Ende Monat oder schon vorher leer ist und Tischlein deck Dich schon normal ist, vielleicht würde sich dann etwas tun, aber leider nur vielleicht, eher NICHT.