Hittisau - „Gemeinde sind wir alle“

Bürgermeister Gerhard Beer im Heimat-Interview über geplante Projekte, zukünftige Herausforderungen und demokratisches Grundverständnis.

Welche vorrangigen Themen beschäftigen die Gemeindeverantwortlichen derzeit in Hittisau?

Beer: Besondere Akzente werden im Bereich Bildung gesetzt. Mit der Schulsanierung und -erweiterung steht uns im Schulerhalterverband ein Mammutprojekt bevor. Derzeit läuft die Planungsphase. Bis zum Herbst 2019 möchten wir die Baueinreichung machen und im Sommer 2020 mit den Baumaßnahmen starten. Bei geplanten Baukosten von 26,5 Millionen Euro besteht der Wunsch, die Wertschöpfung möglichst in der Region zu halten und viele heimische Handwerker miteinzubeziehen. Bereits fertiggestellt ist das Kinderhaus, in dem Kleinkindbetreuung und Kindergarten der Gemeinde untergebracht sind. Entstanden ist ein großzügiges Zuhause für knapp 100 Kinder.

Auch im Bereich Senioren sind Investitionen geplant. Was wird hier umgesetzt?

Beer: Beim Pflegeheim ist eine Sanierung und Erweiterung geplant. Gemeinsam mit unserem Partner Benevit versuchen wir, die notwendigen Strukturen in der Altenbetreuung und später in der Pflege zu planen und zu gestalten. Das Haus ist nicht nur 25 Jahre alt, sondern es haben sich auch die Anforderungen an die Strukturen geändert. Wir möchten Platz schaffen für alternative Betreuungsformen, um die Führung des Pflegeheims betriebswirtschaftlich rechtfertigen zu können. Als Vorbereitung auf einen geplanten Architekturwettbewerb haben wir eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben.

Was tut sich im Bereich der Zentrumsentwicklung?

Beer: In der ersten Phase der Zentrumsentwicklung werden die Ergebnisse des intensiven Planungsprozesses nun umgesetzt. Ein erster Schritt ist die Neugestaltung des Platzes ostseitig der Pfarrkirche mit dem DENK.MAL. Hier soll auch zukünftig der Opfer der Kriege, insbesondere der Euthanasieopfer, gedacht werden. Regelmäßige Bespielungen des Platzes sollen dazu anregen, über den nicht selbstverständlichen Frieden nachzudenken. Am 8. Mai werden Details des Projekts im Rahmen einer Infoveranstaltung öffentlich präsentiert. Auch private Projekte, wie das neue Wohn- und Geschäftshaus am Dorfplatz, setzen Impulse. Es ist ja nicht nur die Verwaltung gefordert – ich denke Gemeinde sind wir alle. Wichtige Beiträge für das Gemeinwohl und die Gemeinschaft leisten in Hittisau die vielen gut funktionierenden Vereine.

Wie steht die Gemeinde Hittisau wirtschaftlich da?

Beer: Die geplanten Investitionen stellen uns vor große finanzielle Herausforderungen. Hittisau steht dank einer umsichtigen Gemeindepolitik in der Vergangenheit aber finanziell auf gesunden Beinen. Der Wohlstand basiert auch auf einer funktionierenden Wirtschaft, deren Grundlage eine Vielzahl an familiär geführten Betrieben in Hittisau ist. Sie bieten Arbeitsplätze vor Ort und ersparen weite Wege zur Arbeit. Im Betriebsgebiet Basen hat der Industriebauspezialist und Maschinenbauer MUZ einen neuen Firmensitz gebaut. In der Wirtschaftsregion Vorderwald, einem Zusammenschluss aller neun Vorderwaldgemeinden, gehen wir beim gemeinsamen Betriebsgebiet in Krumbach in die Planungsphase. Derzeit wird von einem Fachexperten ein Konzept für das gemeinsame Betriebsgebiet mit interkommunalem Finanzausgleich ausgearbeitet – dies könnte auch Vorbildcharakter für andere Gemeinden bekommen.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Zukunft?

Beer: Raumplanung und Raumgestaltung stellen die größten Herausforderungen dar. Der Raum ist unser alle – doch dies sollte auch von allen so wahrgenommen werden. Das Bedürfnis neu zu bauen ist sehr groß, obwohl wir viele Leerstände haben. 50 Prozent aller Einfamilienhäuser werden nur von ein bis zwei Personen bewohnt, ein Drittel der Bauflächen sind unbebaut und circa 45 Gebäude in Hittisau stehen leer. Diese Thematik verbunden mit dem zunehmenden Egoismus mancher Bauherrn und Grundbesitzer bereitet mir als Bürgermeister schlaflose Nächte. „Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die keiner kann“.

Nächstes Jahr sind Gemeindewahlen – werden Sie Hittisau für eine weitere Periode als Bürgermeister zur Verfügung stehen?

Beer: Bevor es soweit ist, stehen zuerst noch die EU- und die Landtagswahlen an. Ich bin ein überzeugter Europäer und ich glaube, dass dieses gemeinsame Europa für unsere Region wichtig ist. Auch denke ich, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist und jeder vom Wahlrecht als demokratisches Grundrecht Gebrauch machen sollte. Ich würde mir auch wünschen, dass sich noch mehr junge Gemeindebürger kommunal engagieren würden – schließlich geht es darum, ihre eigene Zukunft zu gestalten. Einen gemeinsamen kommunalpolitischen Weg mit vielen Frauen und vielen jungen Erwachsenen könnte ich mir gut vorstellen.

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