“Vielleicht habe ich mich manchmal zu wenig geärgert”

„Der ewige Zweite“: Ski-Legende Hubert Strolz spricht im Sonntags-Talk über Sieg und Niederlage, Olympia, seinen Heu-Unfall und die Ski-WM in St. Moritz.

„Der ewige Zweite“: Ski-Legende Hubert Strolz spricht im Sonntags-Talk über Sieg und Niederlage, Olympia, seinen Heu-Unfall und die Ski-WM in St. Moritz.

WANN & WO: Was war es für ein Gefühl, als dein Sohn Johannes das erste Mal auf Skiern schneller war als du?

Hubert Strolz: Ehrlich gesagt, kann ich mich daran gar nicht mehr genau erinnern (schmunzelt). Es ist auf jeden Fall schon eine Weile her. Die nächste Generation steht in den Startlöchern, jede Ära findet ihr Ende. Jetzt sind die Jungen am Drücker. Johannes hat mir immer nachgeeifert, meine beiden Kinder lieben den Skisport. Anna-Maria war aber nie wirklich am Rennlauf interessiert. Obwohl ich selber weiß, wie hart der Weg an die Spitze ist, hat Johannes aber immer unsere vollste Unterstützung genossen. Ich glaube, es ist unheimlich wichtig, dass man Talente erkennt und sie nicht verheizt.

WANN & WO: Wie schwierig ist der Weg an die Spitze, gerade in der Ski-Nation Österreich?

Hubert Strolz: Im Skisport hat man einen enorm großen Aufwand, schon allein vom kostspieligen Material her. Vom Bezirkskader in den Landeskader bis in den ÖSV herrscht ein beinharter Wettbewerb, damit müssen die Kinder lernen umzugehen. Richtiges Training im Wachstum ist unumgänglich. Der Sport hat sich immer mehr hin zu einem extremen Grenzbereich entwickelt, deshalb ist die Athletik umso wichtiger, um Verletzungen vorzubeugen. Veranlagung ist ebenfalls ein entscheidender Faktor. Muskulatur lässt sich trainieren, der Band-Apparat nicht – das hat Dr. Schenk schon vor Jahren gesagt. Einige Wenige schaffen es deswegen bis an die Spitze, denn eigentlich geht es erst so richtig los, wenn die Sportler im Alter von 18 bis 19 Jahren sind. Talent, Training, Durchhaltevermögen und Verletzungsfreiheit sind die Schlüssel zum Erfolg.

WANN & WO: Wann folgte bei dir die Entscheidung für den Profisport?

Hubert Strolz: Eigentlich schon sehr früh. Als Zehnjähriger entschied ich mich für den Weg in die frisch gegründete Skihauptschule Schruns/Tschagguns. Das Skifahren lag mir einfach und als Warther musste man sowieso in ein Internat. Deshalb fiel mir die Entscheidung leicht. Anfangs waren wir rund 20 Kinder. Ich habe die Kombination aus schulischer und sportlicher Intensität genossen. In diesem Alter wird die Basis für den späteren Erfolg gelegt. Erste Absolventen wie Christian Orlainsky, Rainer Salzgeber, Anita Wachter oder Mathias Berthold haben die gute Ausbildung bestätigt.

WANN & WO: Wie kann man sich Hubert Strolz in seinen wilden Jugendjahren vorstellen?

Hubert Strolz: Die waren nicht wirklich wild. Für mich stand der Sport immer im Mittelpunkt und ich hatte auch nie wirklich das Bedürfnis, jedes Wochenende auszugehen oder über die Stränge zu schlagen. Wir waren unheimlich viel unterwegs, an den wenigen Wochenenden zuhause habe ich eher die Ruhe geschätzt. Ich sehe es jetzt an meinem Sohn. Dort ist der Fokus noch wesentlich intensiver. Als Spitzensportler trifft man diese Entscheidung. Im Gegenteil, man erlebt in dieser Zeit so viel, dass der Reiz des Ausgehens in den Hintergrund tritt. Man entbehrt nichts, man bekommt vielmehr etwas geschenkt.

WANN & WO: Welche Personen haben dich damals besonders beeindruckt?

Hubert Strolz: Als ich bei den ersten FIS-Rennen an den Start ging, war Ingemar Stenmark unser aller Vorbild, vor allem in den technischen Disziplinen. Ich kann mich noch gut an ein Rennen in Kirchberg erinnern. Der Schwede ging ebenfalls vor Kitzbühel dort an den Start. Da ist man einfach vor Ehrfurcht erstarrt. Er hat mir dann auch pro Lauf rund 10 Sekunden abgenommen. Wir haben natürlich versucht, uns viel von ihm abzuschauen. Wie z.B. eine Trainingsmethode, bei der man auf einem Stahlseil balanciert. Und dann geht es ein paar Jahre und man „putzt“ ihn – einfach der Wahnsinn (schmunzelt).

WANN & WO: Sternstunde: Welche Erinnerungen sind von den Olympischen Spielen in Calgary 1988 noch am präsentesten?

Hubert Strolz: Ein Grundstein für diesen Erfolg war unser Training vor der Olympiade. Skifahren konnten wir, also haben wir uns für ein alternatives Training entschieden. Mit unserem Kondi-Trainer sind Günther Mader, Bernhard Gstrein, Thomas Stangassinger und ich eine Woche vor Calgary nach Jamaika geflogen, um bei der Olympiade mit frisch geladenen Akkus voll anzugreifen. Der Kontrast war zwar enorm, als wir dann in Kanada ankamen. Beim ersten Abfahrtstraining wurde mir dann klar, dass ich den Kopf bei der Sache haben musste. Es war extrem kalt und eisig, glücklicherweise lieferten mir mein Servicemann Johannes Rinderer und mein Ausrüster Kästle das beste Material für diese Bedingungen. Und das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Gold in der Kombi, Silber im RTL und um drei Hundertstel verfehlte ich die Bronzemedaille im Super-G.

WANN & WO: Die Olympiade wurde aber auch vom Tod eures Mannschaftsarztes überschattet.

Hubert Strolz: Davon wurden wir erst nach dem Olympischen Riesentorlauf in Kenntnis gesetzt. Unser Mannschaftsarzt Dr. Oberhammer war zwischen dem ersten und zweiten Durchgang unter eine Pistenraupe gekommen und gestorben. Auf dem Weg zur Siegerehrung in Calgary im Hubschrauber hat man uns darüber informiert. Glück und Leid können wie so oft eng nebeneinander liegen. Für uns als Sportler war es eine unheimlich schwierige Situation.

WANN & WO: Würdest du dein Ausscheiden in Albertville 1992 als deine größte Niederlage beurteilen?

Hubert Strolz: Drei oder vier Tore vor Schluss habe ich den sicher geglaubten Olympiasieg aus der Hand gegeben. Ich hatte, glaube ich, drei Sekunden Vorsprung, es war aber auch eine unglaublich schwierige Piste. Vor dem Ziel habe ich eine leichte Welle übersehen und bin auf dem Innenski weggerutscht. Im ersten Moment bist du da gelähmt, aber auch die zahlreichen Sportjournalisten konnten es damals nicht fassen und waren fast mehr geschockt als ich. Aber so ist es oft im Sport. Am Schluss zählt einfach das Ergebnis nach zwei Läufen. In Calgary hatte ich dafür das Glück auf meiner Seite, als Pirmin Zurbriggen ausgeschieden ist.

WANN & WO: Du wurdest ja oft als „Der ewige Zweite“ bezeichnet. Hat dir manchmal der Killer-Instinkt gefehlt?

Hubert Strolz: Ich bin rund 30 Mal auf das Podest gefahren und habe nur einmal gewonnen. Trotzdem war ich ein Wettkampftyp. Diese Emotion, die es für den Wettkampf braucht, habe ich genossen. Trotzdem habe ich niemanden verflucht (schmunzelt). Vielleicht habe ich mich manchmal zu wenig geärgert. Ich war auch nie mit einem zweiten oder dritten Platz unzufrieden – in letzter Konsequenz. Das macht aber auch jeden Einzelnen so stark, denn jeder Mensch hat gewisse Charaktereigenschaften, auf die er sich konzentrieren sollte. Eigensinn bedeutet für mich, sich auf das Eigene zu konzentrieren, und an seine eigene Stärke zu glauben. Jeder kann auf seine Art erfolgreich werden.

WANN & WO: Was sind deine Stärken, was deine Schwächen?

Hubert Strolz: Eine positive Eigenschaft von mir ist sicherlich mein Optimismus. Ich liebe auch das Bodenständige. Meine Schwäche liegt vielleicht darin, dass ich unbequeme Dinge gerne auf die lange Bank schiebe. Aber daran erinnert mich dann meine Frau Birgit (schmunzelt).

WANN & WO: Welche Rolle haben denn Frauen in deinem Leben gespielt?

Hubert Strolz: Meine Ehefrau und große Liebe Birgit begleitet mich schon seit meiner Zeit im Bundesheer, die ich gemeinsam mit ihrem Bruder Oskar verbracht habe. Ich bin unglaublich froh, dass ich eine Frau kennengelernt habe, die mich als Menschen Hubert Strolz schätzen und lieben gelernt hat. Für diese Beziehung bin ich unheimlich dankbar, wir sagen auch immer, dass unsere Verbindung weiter wächst. Meine Familie, meine Mutter und auch mein Vater, haben mir eine solide Basis vermittelt. Das versuchen wir auch an unsere Kinder weiterzugeben.

WANN & WO: Was hat sich bei dir mit deiner Vaterschaft verändert?

Hubert Strolz: Zwei Jahre vor meinem Karriereende kam Johannes auf die Welt. Damit verändert sich alles, man trägt plötzlich eine ganz andere Verantwortung. Ich kann mich noch gut an mein letztes Kitzbühel-Wochenende erinnern, als ich entschied, dass ich diese Kombination jetzt auslassen werde – wegen meiner Familie. Ab diesem Zeitpunkt wusste ich, dass die Zeit für meinen Rücktritt nun gekommen war.

WANN & WO: 2013 bist du mit deinem Heuladewagen verunglückt. Welche Erinnerungen hast du an jenen Tag?

Hubert Strolz: Es war ein wunderschöner, sonniger Tag. Meine Frau und Anna-Maria waren gerade für einen Kurztrip anlässlich ihrer Matura in New York. Ich war daheim mit Heuarbeiten vor dem Haus in recht steilem Gelände beschäftigt. Aus einem Blödsinn heraus entschied ich mich für den Einsatz meines Heuladewagens, obwohl man das wenige Heu bei diesem schönen Wetter auch leicht von Hand zusammentragen hätte können. Voll beladen übersah ich dann einen Felsabsatz, kippte mit dem ganzen Vehikel um und meine beiden Beine wurden knapp oberhalb der Knöchel eingeklemmt. Nach rund 15 Minuten wurde ich dann mittels Hebewinde befreit – ich war aber immer bei klarem Verstand. Nachträglich betrachtet hatte ich ein Riesenglück und kam mit einem gebrochenen Schienbein und einem ausgerissenen Wadenbein davon. In solchen Situationen bekommt man schon einen Wink, wie wehrlos man eigentlich ist. Ich hätte genausogut erschlagen werden können.

WANN & WO: Alpine Ski-WM in St. Moritz – dein persönlicher Ausblick?

Hubert Strolz: Bei einer WM gelten bekanntlich eigene Gesetze. Besonders in den technischen Disziplinen herrscht eine enorme Dichte. Hirscher und Kristoffersen sind momentan einfach eine Klasse für sich. Trotzdem können im Slalom mindesten 15 Athleten eine Medaille machen. Ich hoffe auch, dass Christian Hirschbühl seine Chance bekommt. Auch mit unserem Abfahrtsteam ist zu rechnen, heuer gab es nicht wirklich einen Dominator, hier ist quasi alles möglich, abhängig von den Verhältnissen. Besonders erfreulich sind die Leistungen der Vorarlberger. Christine Scheyer zeigt sich die ganze Saison schon in Top-Form, sie kann wirklich unbekümmert nach St. Moritz fahren und das Ganze genießen. Sie muss sich vor niemandem verstecken. Frederic Berthold sollte sich jetzt in der Vorbereitung auf seine Slalom-Fähigkeiten konzentrieren, er war damals schon sehr stark in dieser Disziplin und mit seinem jetzigen Können in den Speed-Disziplinen ist ihm in der Kombination viel zuzutrauen.

WANN & WO: Wer würde gewinnen: Hubert Strolz (1988) oder Marcel Hirscher heuer?

Hubert Strolz: Hier wäre ein Vergleich verwegen, Marcel Hirscher ist eine Ausnahmeerscheinung. Ohne Verletzungspech wird er heuer zum sechsten Mal in Folge den Gesamt-Weltcup gewinnen. Wenn man selbst mal in dieser Mühle war, weiß man, was dort alles dahinter steckt. Marcel Hirscher hat den Sport in allen Belangen auf eine neue Ebene gehoben. Natürlich hat er auch ein optimales Team hinter sich, allein wie er an seinem Material tüftelt. Auch in Sachen Athletik, es kommt nicht von ungefähr, dass er nahezu verletzungsfrei durch seine Karriere kam. Ich kann mich noch an ein Rennen in Alta Badia erinnern, als mein Sohn Johannes ebenfalls am Start war. Während sich andere mental auf das Rennen vorbereitet hatten, fuhr Hirscher vier verschiedene Ski-Abstimmungen auf Zeit – und er hatte im Anschluss immer noch die Energie, das Rennen zu fahren. Einfach ein Phänomen.

Wordrap

Erfolg: Calgary 1988.
Niederlage: Alberville 1992.
Konkurrenz: Beflügelt zur Bestleistung.
Winter: Pulverschnee in Warth.
Sommer: Klettern mit Sohn Johannes.
Vorarlberg: Paradies.
Familie: Eine der wichtigsten Wurzeln.
Olympia: Für einen Sportler eines der größten Erlebnisse.

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Zur Person: Hubert Strolz

Geboren: 26. Juni 1962 in Warth
Familienstand: Ehefrau Birgit, Kinder: Johannes, Anna-Maria
Beruf: Landwirt, Pensionsbetreiber, Skiführer
Sportliche Erfolge: Olympia Calgary 1988: Gold (Kombi),  Silber (RTL), Weltcup: Ein Sieg, 14x Zweiter, 18x Dritter

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