Das Schauraumhaus

Was ist eine Gartenwerkstatt? Wie kann sie aussehen? Jürgen Beer, Inhaber der Gartenwerkstatt Strubobuob in Bezau, hatte unter dem diesem Namen begonnen, Schönes und Nützliches für Gärten zu verkaufen. Nun wollte er es genau wissen und fand mit Innauer-Matt Architekten die richtigen Partner auf der Suche nach der Antwort. Kein Wunder, das Büro der Architekten liegt nur einen Kilometer von der Gartenwerkstatt entfernt und sie kennen Bezau wie ihre Westentasche.

Alles begann mit dem Garten. Er liegt an der Einfahrtstraße in Bezau, und Jürgen Beer gestaltete ihn so schön, dass immer wieder Leute stehen blieben, um ihn zu bewundern. Und um zu fragen, wo man denn all die Dekorationen kaufen könne? Im unbeheizbaren Erdgeschoß seines Wohnhauses, einer ehemaligen Spenglerwerkstatt, richtete er daraufhin eine Verkaufsstelle für Gartendekoration und -werkzeug ein, die nur in den Sommermonaten geöffnet war. So kam der Name zustande.

Das Geschäft lief so gut, dass Jürgen Beer es wagte, sein Hobby zum Beruf zu machen und seinen Beruf in die Selbstständigkeit mitzunehmen: Er erweiterte sein Sortiment um Töpfe, Küchengerät, Tischwäsche, Geschirr … Die Auswahl der einzelnen Stücke und wie Jürgen Beer sie zusammenstellt machen sein Geschäft zu etwas Besonderem, zu etwas, das es sonst nicht gibt. „Wenn ich etwas anfange, dann richtig“, sagt er. Ein Neubau im Garten sollte das Werkstattgeschäft erweitern, nicht irgendeiner, sondern ein besonderer, wie sein Sortiment.

Innauer-Matt Architekten nahmen die Aufgabe gerne an. Der Neubau steht, wie das alte Haus, dicht an der Straße. Ganze 50 Quadratmeter Nebenräume im Keller, insgesamt 105 Quadratmeter Verkaufsflächen im Erdgeschoß und unter dem Dach, das ist nicht besonders groß. Zwischen beiden Gebäuden ist ein einladender Platz mit einer Bank entstanden. Der Haupteingang zum neuen Haus liegt dem Eingang in die ehemalige Werkstatt gegenüber, in der nach wie vor Schauräume sind. Das alte Spengler-Wohnhaus hatte einen Kreuzgiebel, bei einer Aufstockung in den 1970er-Jahren ging er verloren. Am Haus auf der anderen Straßenseite ist er noch vorhabnde, Hier werkte früher ein Fahrzeugbauer. Kreuzgiebel zeigen an, dass hier nicht Bauern, sondern Handwerker ihre Häuser gebaut haben. Im Erdgeschoß waren Werkstatt und Verkaufsräume, in den Räumen darüber lebten der Inhaber und seine Familie.

Innauer-Matt nahmen diese Form des Werkstattwohnhauses auf, verkleinerten sie auf ein Drittel und interpretierten sie in ihrer Gesamtheit als modernen Schauraum im Garten. Was wäre es, wenn es noch kleiner wäre, ein Pavillon? An der Fassade sind keine Schindeln, sondern Holz und Glas, großflächig an allen vier Giebelseiten, eine moderne Interpretation alter Formen. Der Quergiebel an der Straßenseite nimmt das hohe Schaufenster auf, auf der Rückseite liegt das Treppenhaus. Unter dem Dach erweitern die Giebel die Kubatur in der Vertikalen. Von allen vier Seiten kann man hineinschauen, besonders bei Lampenlicht im Inneren, und da Jürgen Beer und seine vier Mitarbeiterinnen Haus und Garten sehr oft neu arrangieren, spielt hier für Bezau eine Art Stop-Motion-Film.

Die Innenräume mit ihren großen Flächen aus rohem Holz, Glas und Schwarzstahl stehen in einem angenehmen Kontrast zu den vielgestaltigen Dingen, die die Gartenwerkstatt anbietet, Werkstattcharakter trifft auf kultivierte Form. Das Treppenhaus ist in Schwarzstahl gewandet und inszeniert den Weg hinauf, um klar zu machen: hier geht es weiter mit den Verkaufsräumen. Die Präsentationsmöbel sind luftig und leicht beweglich, selbst zwei alte Werkbänke wechseln immer wieder ihren Platz. Fix stehen der Kassentresen aus Schwarzstahl und ein Küchenblock aus demselben Material im Obergeschoß, beide hat Sven Matt entworfen. Die Ablagefläche des Küchenblocks kann in Längsrichtung verschoben werden und einen frei schwebenden Tisch bilden, Herd und Spülbecken werden dadurch freigelegt. Gehört das schon ins Sortiment?

Bei genauem Hinschauen entdeckt man, wie die beiden Geschoße miteinander verbunden sind. Das Dachgeschoß wurde in einem wenige Meter entfernten Betrieb vorgefertigt und im Ganzen auf das Erdgeschoß gesetzt.

Oft kommen Leute herein und bewundern den Raum. „Das würde mir als Haus vollkommen genügen“, sagen sie. Mit Trennwänden sähe es zwar schon ganz anders aus, die Idee ist aber gar nicht so abwegig: In manchen Großstadtgegenden ist das das Limit. Jürgen Beer scheint auch nach einem halben Jahr Laufzeit immer wieder glücklich überrascht, welche Gestalt er und Innauer-Matt Architekten seinem Traum gegeben haben. Im Geschäft stehen viele Klassiker, die seit Jahrzehnten begeistern. Das Geschäftshaus, das kleine Kreuzgiebelhaus, hat das Zeug dazu auch einer zu werden.

Daten und Fakten

Objekt: Gartenwerkstatt, Geschäftshaus in Bezau

Bauherr: Jürgen Beer, Gartenwerkstatt Strubobuob

Architektur: Innauer-Matt Architekten, Bezau www.innauer-matt.com

Statik: Merz Kley Partner ZT GmbH / Gordian Kley, Dornbirn, www.mkp-ing.com

Bauleitung: Jürgen Haller, Mellau, www.juergenhaller.at

Planung: 1/2016–12/2016

Ausführung: 10/2016/–3/2017

Nutzfläche: 105 m2 Verkaufsfläche, 50 m2 Nebenräume

Bauweise: Holzkonstruktion mit höchstem Vorfertigungsgrad, Primärkonstruktion: Massivholzquerschnitte/ Massivholzwände. Alle konstruktiven Elemente ohne Einsatz industriell bearbeiteter Hölzer (BSH). Innenausbau EG/OG: sägerohe Oberfläche unbehandelt; UG Sichtbeton; Möblierungen Schwarzstahl; Fußböden EG/UG geschliffener Sichtbeton mit Bauteilaktivierung, OG unbehandelte Massivdielen in Braunkernesche, Trockenaufbau; Fenster: Pfostenriegelfassaden, Fichte, 3-fach-Verglasung; Fassade: Holzschirm-Weißtanne; Dach: Eternittafeln dunkelgrau

Ausführende Firmen: Baumeister: Erich Moosbrugger Bau, Andelsbuch; Zimmermann: Kaspar Greber Holz- und Wohnbau GmbH, Bezau; Fenster: Schwarzmann, das fenster, Schoppernau; Dach: Felder Dachdeckerei und Fassadenbau, Andelsbuch; Elektroinstallationen: Elektro Beer, Bezau: Sanitärinstallationen: Dr‘Wäldar Installateur, Bezau; Möbel: Tischlerei Greussing, Bezau; Schlosser Möbel: Figer Metall, Bezau; Schlosser Treppe: Felder Metall, Andelsbuch; Holzböden, Treppe: Stipo Fußböden, Bezau; Betonschleifen: Vigl Floorsysteme, Au

Energieverbrauch: HWB laut Energieausweis 55 kW/m2a

Leben & Wohnen – Immobilienbeilage der VN

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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Mit freundlicher Unterstützung durch Arch+Ing

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