Seine Droge ist der Film

Filmemacher Tone Bechter im WANN & WO-Sonntags-Talk über die Weltkriege, National­sozialismus und den Umgang mit Kritik.

WANN & WO: Steven Spielberg hat einmal gesagt, eine gute Filmidee lässt sich in 25 Worten zusammenfassen. Wie hört sich Ihr aktueller Film „Frauenleid“ in 25 Worten an?

Tone Bechter: Puh, das habe ich noch nie so genau überlegt.

WANN & WO: 16 Wörter bleiben noch …

Tone Bechter: Vielleicht noch kurz zum Ursprung, wieso es überhaupt zu diesem Film gekommen ist. Das ist eigentlich schon mein vierter Film, der vom Kriegsgeschehen handelt – aber sicher mein letzter darüber. Bei den drei vorherigen Filmen waren die großen Helden­ehrungen der Rückkehrer immer ein Punkt. Die Daheimgebliebenen, die auch große Not durchleiden mussten, sind in Vergessenheit geraten – bewusst oder unbewusst, obwohl sie unglaublich viel geleis­tet haben. Und genau um diese Personen geht es: Frauen, die bis dahin immer im Hintergrund standen und denen nur wenig Verantwortung übergeben wurde, mussten von Heute auf Morgen Betriebe führen, die Gemeindepolitik verwalten und Schwerarbeit leisten. Bertha von Suttner – sie erhielt als erste Frau den Friedensnobelpreis – war in diesem Fall sehr inspirierend. Die gesamten Leistungen der Frau wurden vergessen – im Film werden sie aufgegriffen.

WANN & WO: Woher rührt dieses Interesse für Geschichte?

Tone Bechter: Geschichte und Tradition haben mich immer schon unglaublich interessiert. Ich war ein sehr schlechter Schüler, nur in zwei Bereichen konnte ich glänzen: Im technischen Gebiet und in Heimatkunde. Das kam auch von meinem Lehrer in der Volksschule Andelsbuch, er hat sehr viel Wert auf Geschichte und Heimatkunde gelegt. Ich habe für mich immer gedacht: Wie kann ich Tradition für die nächsten Generationen festhalten? Da war Film die ideale Lösung. Lange war ich in der Eletkro-Branche tätig, das Filmen habe ich in meiner Freizeit gemacht. Jetzt in der Pension genieße ich die Herausforderung, mich an schwierige Produktionen heran zu wagen. Ich habe auch schon in jungen Jahren oft mit Leuten gesprochen, die den Krieg miterlebt haben. Dort habe ich immer mehr festgestellt, dass alles vertuscht wird, dass alles schön geredet wurde.

WANN & WO: Im Rahmen Ihrer filmischen Tätigkeiten sind Sie bestimmt vielen interessanten Persönlichkeiten begegnet. Können Sie sich an ein besonders berührendes Gespräch erinnern?

Tone Bechter: Ein Mann, stammte ursprünglich aus Andelsbuch, ist dann nach Bregenz gezogen, hat mit mir über ein tragisches Ereignis im zweiten Weltkrieg gesprochen. Ich bin quasi vorab zu ihm gegangen, um für den Film alles zu klären. Er wurde während des zweiten Weltkriegs Vollwaise, hatte zwei Brüder. Sie waren behindert und wurden so schlussendlich ins Konzentrationslager gebracht. Ich habe mit ihm vereinbart, dass ich in den nächsten Tagen vorbei komme, um das aufzunehmen. Er hat mich kurz danach angerufen und gesagt, er kann das nicht noch einmal erzählen, das bringe er nicht übers Herz. Er habe noch nie so offen über das Geschehene geredet. Das muss man sich vorstellen: So viel Leid durchleben und nie darüber reden. Er hat mir auch erzählt, man habe sich innerhalb der Verwandtschaft für diese Behinderten Buben geschämt, deshalb wurde es totgeschwiegen.

WANN & WO: Haben Sie noch Erinnerungen an die Nachkriegszeit?

Tone Bechter: An Lebensmittelmarken habe ich noch schwache Erinnerungen. Was mir generell geblieben ist: Man war mit sehr, sehr wenig schon zufrieden.

WANN & WO: Wie stehen Sie zum aktuellen Rechtsruck der Bevölkerung?

Tone Bechter: Dann kann ich nicht still sein. Der Rechtsextremismus schwelt im Untergrund – wie stark kann ich nicht sagen, aber ich habe ehrlich gesagt Angst davor.

WANN & WO: Was war das schönste Kompliment, das Sie jemals für einen Film bekommen haben?

Tone Bechter: Für mich ist das größte Kompliment, wenn bis zum Schluss der Vorführung alle ruhig sind. Wenn schon nach einer halben Stunde die ersten anfangen zu husten und auf den Stühlen herumzurutschen, dann wäre das für mich ein Zeichen, dass es nicht interessant ist. Bei jeder Vorstellung höre ich bis zur letzten Minute genau zu, was die Zuschauer machen.

WANN & WO: Mit welchen Herausforderungen hat man – speziell als junger Filmemacher im ländlichen Raum – zu kämpfen?

Tone Bechter: Wer anfangs eine Wertschätzung im eigenem Dorf erwartet, liegt falsch. Dazu muss man Gemeindegrenzen überspringen.

WANN & WO: Nicht jeder Film verspricht Erfolg. Wie präsent ist die Angst, zu „versagen“?

Tone Bechter: Als ich mit dem Filmemachen angefangen habe, hatte ich ein Ziel: Jeder Film muss besser werden wie der vorherige. So­wohl inhaltlich als auch technisch. Solange mache ich Filme. Ich würde mich als kritikfähig bezeichnen. Und in einem gewissen Maß auch als selbstkritisch.

WANN & WO: Das ist im Grunde genommen eine sehr gute ­Eigenschaft.

Tone Bechter: Ja, sie bringt mich weiter und treibt an, an sich selbst zu arbeiten.

WANN & WO: Sie beschäftigten sich in ihren Filmen immer mit tragischen Inhalten. Sind Sie generell ein ernster Mensch?

Tone Bechter: Ich glaube, dass ich einen guten Humor habe. Ich schwebe auch nicht irgendwo in der Höhe, sodass man mich wieder runter holen müsste oder ich tief fallen könnte.

WANN & WO: Gibt es neben dem Film noch andere Interessen?

Tone Bechter: Ich habe ein Vorsäß, bin generell gerne und viel in der Natur. Dort habe ich gute Ideen.

WANN & WO: Welche Rolle spielt die Familie für Sie?

Tone Bechter: Die Familie ist und war mir immer sehr wichtig. Meine vier Kinder sind aber auch alle schon flügge geworden. Wenn jemand früher von Zuhause ausgezogen ist, geheiratet hat, war das für die Familie eine schwere Zeit. Heute geht das so einfach, man ist ständig verbunden mit dem Handy.

WANN & WO: Können Sie sich noch erinnern, wie Sie ihre Frau kennen gelernt haben?

Tone Bechter: Wie sich das für einen Wälder gehört: beim Tanzen.

WANN & WO: Haben Sie vor, die Kamera in der nächsten Zeit für immer auszuschalten?

Tone Bechter: Nein. Das Filmen ist meine Leidenschaft. Es sind noch so viele Ideen in meinem Kopf, einige davon will ich noch machen.

WANN & WO: Zum Schluss ein Blick auf das aktuelle Weltgeschehen: Steuern wir einem dritten Weltkrieg entgegen?

Tone Bechter: An einen dritten Weltkrieg glaube ich nicht, vielmehr denke ich an soziale Kriege – der Unterschied zwischen Arm und Reich hat in den ersten beiden Weltkriegen eine große Rolle gespielt. Mit den Armen, mit den Arbeitslosen, kann man alles machen. Die Geschichte wiederholt sich, die Menschheit ist aber nicht fähig, daraus zu lernen. Viele Menschen sagen immer: Ja uns geht’s gut. Aber dass es vielen Menschen sehr schlecht geht, lassen sie außer Acht.

Zur Person – Tone Bechter

Jahrgang: 1967
Wohnort: Andelsbuch
Filme u.a.: „Sie dachten anders – Widerstand und Fahnenflucht“, „Schrei ohne Namen“, „Holdo Hanso Wise – Künstler und Einsiedler“, „Die letzen Tage“, „Fremdes Brot“, „Jodok Fink“

Aktueller Film: „Frauenleid“

Tone Bechters Dokumentarfilm „Frauenleid“ wird am Freitag, 11. März, um 19.30 Uhr im Museum Schwarzenberg, am Donnerstag, den 31. März, um 20 Uhr im Rathaussaal Andelsbuch und am Dienstag, den 24. Mai um 19.30 Uhr im Spielboden in Dornbirn gezeigt.

Wordrap

Film: Sehr interessantes Medium
Bregenzerwald: Wunderbare Talschaft
Familie: Sehr wichtig
2. Weltkrieg: Gräueltaten
Heldinnen: Bertha von Suttner
Vorsäß: Gemütlichkeit

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