Schoppernau. In dem Haus in Schoppernau, in dem Albert Moosbruggers Großvater einst geschneidert und gelebt hat, wird heute geurlaubt.
Als Kind hat der gelernte Architekt Albert Moosbrugger viel Zeit im Haus seines Großvaters verbracht, wo dieser über seiner Schneiderei gewohnt hat. Weshalb ihn viele sentimentale Erinnerungen mit dem 1949 gebauten Gebäude verbinden. Es ist eigentlich kein typisches Wälderhaus und befand sich, nachdem es viele Jahre lang als Wohnhaus genutzt worden war und dann einige Zeit leer stand, in einem Zustand, „dass etwas geschehen musste“, so Moosbrugger, der gemeinsam mit Christian Feldkircher das Architekturbüro „firm“ in Hard betreibt. Er selbst wollte nicht nach Schoppernau ziehen, da aber gleich nebenan seine Schwester und dahinter die Eltern wohnen, sollte das großväterliche Haus auch nicht in fremde Hände kommen.
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Man entschied sich, das Gebäude in ein ebenso komfortables wie charmantes Ferienhaus zu verwandeln. Diese Metamorphose sollte allerdings eine sanfte sein, möglichst viel von den bestehenden Strukturen belassen bzw. die originalen freilegen. Kaum etwas verändert wurde etwa an der Einteilung der Fenster, die übers Eck gehen oder auch ganz in der Manier des Bregenzerwaldes zusammengebunden sind. Um sie „feiner zu machen“, bekamen sie allerdings neue zahnartige Zierelemente aus Holz und leicht ausschwingende „Dächer“ verpasst, was wiederum so gar nicht wälderisch ist.
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Das ehemalige Schaufenster des Schneidermeisters im Erdgeschoß wurde vergrößert und zur „Bühne“ für die neue Küche. Ein großes, raumhohes Fenster hat Moosbrugger auch in die der Straße abgewandte Fassade geschnitten, wo ehemals, leicht unter das Niveau eingegraben, der Stall bzw. Schuppen war. Hier soll in den nächsten Jahren eine Sauna mit fabelhaftem Blick auf den wunderschön angelegten Gemüsegarten mit seinem nostalgisch geflochtenen Zaun entstehen.
Ich wollte nicht Folklore machen, sondern im Weiterdenken des Alten etwas Frisches, Neues kreieren. (Albert Moosbrugger, Architekt und Bauherr)
Das aus einem Sockel aus Natursteinen stehende Haus ist in schlichter Bauweise aus unregelmäßig zugeschnittenem Holz errichtet. Bei der nunmehrigen Renovierung wurden, wenn möglich, die alten Strickwände offengelegt und nur geschliffen. Als Referenz an den Ort wurde die Schoppernauer Schneiderei wie vorher mit Fichtenschindeln verkleidet und der Architekt freut sich sehr, dass die neuen Schindeln – unter denen eine energetisch effiziente Dämmung versteckt wurde – allmählich schön zu vergrauen beginnen. Die Eingangstür ist die originale genauso wie ihr eigentlich so gar nicht zum Haus passendes, verspieltes Vordach.
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Neu gemacht werden mussten die Decken. Als Hommage an den Ort bezogen mit Lodenstoff, was nicht nur in Sachen Akustik, sondern auch atmosphärisch Wunder wirkt. Als – mit Erdwärme beheizte – Böden müssen geschliffene Estriche genügen, auf die allerdings als ganz bewusster Bruch in einigen der Räume noble Orientteppiche gelegt sind. Nur im großen Wohnzimmer im ersten Geschoß mit seiner schönen Kassettendecke und dem alten Kachelofen samt lodenbezogener Ofenbank wurde ein neuer Boden aus Weißtanne gelegt.
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Praktisch das gesamte Erdgeschoß ist ein einziger großer Raum. Im vorderen Teil steht fast objekthaft der riesige, mit einer Platte aus gebürstetem Edelstahl belegte Küchenblock, den hinteren nimmt fast zur Gänze der neue lange Esstisch ein. Über eine alte Treppe samt ihrem original geschwungenen Handlauf geht es in die zwei Obergeschoße mit ihren fünf Doppelzimmern. Sie sind schnörkellos modern eingerichtet, in jedem steht allerdings ein Objekt, das Geschichte atmet. Das kann ein Schrank sein, der speziell für die alte Bregenzerwälder Juppe gebaut worden ist, können aber auch Kleiderbügel sein, deren Aufschriften an die alte Schneiderei erinnern. Jedes Zimmer ist mit einem Waschbecken ausgestattet. Die in leuchtenden Farben kunststoffbeschichteten Duschen mit ihren Vorhängen aus Loden bzw. das Bad und die WCs müssen sich die Feriengäste dagegen teilen.
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Regelrecht sensationell ist der Blick auf die Berge aus dem unter dem offenen Dachstuhl eingenisteten Bad und den beiden Schlafzimmern. Wofür Moosbrugger die bestehende Gaupe leicht erhöht bzw. die zwei in den Giebel hineingeschnittenen Fenster gegenüber den Geschoßen darunter leicht erhöht hat. Was den Schmalseiten des Hauses formal erstaunlich gut tut.
Daten & Fakten
Objekt: Schneiderei Schoppernau
Eigentümer/Bauherr: Albert Moosbrugger
Architektur/Statik: firm ZT GmbH, Hard
Planung: 2012–2013
Ausführung: 2013–2014
Grundstückgröße: 510 m²
Wohnnutzfläche: 190 m²
Keller: 60 m²
Bauweise: Sockel Mauerwerk (Bestand), 12 cm Dämmung, Putz; Strickbau (Bestand), innen sichtbar, außen mit 12 cm Dämmung und Schindelfassade; neue Holzdecken mit Trittschalldämmung und Estrichbelag; Dachstuhl Bestand; Holzfenster; Badezimmer mit PU- Beschichtung und Lehmdecken
Besonderheiten: Erhalt der bestehenden Konstruktion (Strickwände und Dachstuhl); Decken mit Lodenstoff; Strickwände sichtbar; Sanierung der Stube (Holzkassetten und Kachelofen)
Ausführung: Zimmerer: Huber, Mellau; Baumeister: Hoisl Bau, Au; Fenster: Schwarzmann, Schoppernau; Innenausbau: Tischlerei Stefan Moosbrugger, Egg-Großdorf; Türen: Tischlerei Künzler, Bizau; Schlosserarbeiten: Figer, Bezau; Textilien: Troy Faszination Wohnen, Bezau; Estrichböden: Vigl Strolz und Floorsysteme Vigl, Au; Holzböden: Helmut Fink, Au; PU-Beschichtungen: Jürgen Bösch, Dornbirn; Spenglerarbeiten: Albrecht Dietmar, Au; Sanitär: Installationen Willi, Schoppernau
Quelle: Leben & Wohnen – die Immobilienbeilage der Vorarlberger Nachrichten
Für den Inhalt verantwortlich
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