Architektur als Mehrwert

Egg - „Von der Heugabel bis zur Besteckgabel“ sollen Besucher des Metzler-Bauernhofs in Egg den Produktionsweg von Käse und Molkeprodukten kennenlernen und begreifen. Welche Rolle übernimmt dabei die Architektur?

Um am vollen Markt noch einen Platz zu bekommen, gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: billiger als die Konkurrenz zu sein oder das Produkt mit Zusatzwerten in Verbindung zu bringen“, beginnt Landwirt Ingo Metzler. Aufgrund erschwerter Produktionsbedingungen im Bregenzerwald (Hanglage, raues Klima) könne der Preiskampf hier nicht gewonnen werden. „Für Zusatzwerte wie Emotion, Qualität und Nachhaltigkeit bietet die vorhandene Natur- und Kulturlandschaft allerdings sehr gute Voraussetzungen. Im Bestreben, Geschichten zu vermitteln, kann die Architektur einen ganz wesentlichen Beitrag leisten und somit auch im Marketing genutzt werden“, erklärt Metzler, und Baumeister Christian Läßer fügt hinzu: „Architektur lässt ja niemanden kalt – das ist eben das Schöne an Architektur.“

Mit dem Projekt „Natur hautnah – Bauernhof begreifen“ soll Besuchern der landwirtschaftliche Kreislauf nähergebracht werden. Heuproduktion, Tierhaltung, Milch- und Molkeverarbeitung werden sichtbar gemacht. „Es geht darum, interessierten Besuchern das Geschehen emotional näherzubringen und so zu zeigen, wie es tatsächlich funktioniert“, so der Bauherr.

Ein Anlass für den Neubau waren neue EU-Tierschutzgesetze, die Anfang 2013 in Kraft getreten sind und die Unterbringung in Anbindeställen nicht mehr erlauben. Da der begeisterte Landwirt und seine vier Söhne die Tierhaltung nicht aufgeben wollten, mussten sie investieren, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden.

Das Ensemble des alten Bauernhauses mit Stall, Wohnhaus und einem Gebäude für Molkeverarbeitung, Verköstigung und Verwaltung erhielt somit im Jahr 2011 die notwendig gewordene Erweiterung: Zwei parallele Baukörper wurden längs zum Hang positioniert, sodass Geländeeinschnitte und Aufschüttungen minimiert werden konnten. Die Bauten ungleicher Größe und Kubatur verweisen auf unterschiedliche Funktionen.

Im vorderen Gebäude mit einem einladenden, großzügigen Eingangsbereich befinden sich Hofladen, Sennerei und Reifekeller. Die Fassade aus vertikal angeordneten Fichtenholzleisten mit offenen Fugen setzt sich am Dach fort. Über eine Verbindungsbrücke gelangen Besucher in das dem Hang zugewandte Stallgebäude, in dem die 16 Kühe und 70 Ziegen des Hofes untergebracht sind. Der moderne Stall mit Sichtbetonwänden und großzügigen Glasflächen Richtung Süden besitzt eine horizontal verlaufende Stülpschalung aus Fichtenholz. Unter dem Dach, oberhalb der Ställe, befindet sich die Heutrocknungsanlage mit Heulager. Die Hanglage des Baus erlaubt es, jedes Geschoß „ebenerdig“ anzufahren. So kann beispielsweise das Gras für die Heutrocknung im Obergeschoß einfach abgeladen werden. Ingo Metzler nennt dies einen „Vorteil vom Bauen am Hang“.

Den Wunsch nach einer integrierten Besucherführung löste Planer Läßer mit einer eigenen Ebene, von der aus die Sennerei, die Ställe und der Melkstand einsichtig sind. Um den Arbeitsablauf nicht zu stören, bewegen sich die Besucher nur in den für sie vorgesehenen Bereichen.

Eine wichtige Vorgabe für den Bau war für Metzler die Verwendung von regionalem Holz. Mehr als die Hälfte des verarbeiteten Holzes stammt aus dem eigenen Wald, die andere Hälfte aus der Region. Planer und Bauherr waren sich einig, dass nur Handwerker aus der unmittelbaren Umgebung eingebunden werden sollten. Diese wurden direkt beauftragt und waren von Anfang an involviert. „Wir wollten eine Partnerschaft mit den Handwerkern haben, ein echtes Bemühen um ein vernünftiges Bauprojekt“, erklärt Ingo Metzler.

Besonders hohe Ansprüche stellt der Landwirt an die Heuproduktion, sodass die wertvollen Inhaltsstoffe erhalten bleiben. Die Heutrocknungsanlage besteht aus einer Trockenbox, in der das Heu auf einem Rost liegt, unter den ein Ventilator aufgeheizte Luft bläst, die dem Heu die Feuchtigkeit entzieht. Bei schönem Wetter wird die heiße Luft, die sich durch die Sonneneinstrahlung unter dem nur gering geneigten Trapezblechdach bildet, zur Heutrocknung verwendet (Dachabsaugung). Bei regnerischem Wetter schaltet sich die Anlage automatisch auf ein hausinternes System, das der Luft die Feuchtigkeit mit dem Prinzip einer Luftwärmepumpe entzieht (Kondensationstrocknung). Um die dafür notwendige Energie effektiv zu nutzen, entschied man sich für ein innovatives, ganzheitliches Energiekonzept. Durch eine vernetzte Haustechnikanlage und die Rückgewinnung von Energie (Wärme aus Kühlanlagen, Kälte aus Heizanlagen) können jährlich ca. 17.000 Liter Öl eingespart werden. Die Photovoltaikanlage an der Stallfassade produziert bereits 20% des Strombedarfs und soll in den nächsten sechs Jahren auf die fünffache Leistung erweitert werden.

Ingo Metzlers Gesamtkonzept scheint aufzugehen. Die Nachfrage nach den Produkten steigt stetig und jährlich besuchen mehr als 10.000 Menschen den Bauernhof in Egg. Eine erfolgreiche Investition in qualitativ hochwertige Architektur und ein stimmiges, nachhaltiges Energiekonzept.

Daten & Fakten

Objekt: Bauernhof Metzler, Egg
Eigentümer/ Bauherr: Ingo Metzler, Metzler Käse Molke, Egg

[googlemaps]
Architektur: Fab-02 Architektur, Baumeister; Christian Läßer Lustenau
Ingenieure/Fachplaner: Statik: plan Drei, Andelsbuch
Planung: 2009–2011
Ausführung: 2010–2011
Grundstücksgröße: 6997 m²
Nutzfläche: 1440 m²
Bebaute Fläche: 819 m²

Bauweise: Keller und erdberührte Bauteile Stahlbeton; Außenwände Holzriegelbauweise, gedämmt (Tenne ungedämmt); Türen, Tore und Fenster aus Holz; Decken: massive Holzdielen bzw. gedämmte Balkenlage; Wand und Deckenverkleidungen im Innenbereich: Weißtanne/ Fichte; Leistenfassade: Fichte, druckimprägniert bei Sennerei und Hofladen; Stülpschalung: Fichte bei Stall und Tenne; Dach bei Sennerei und Hofladen wie Fassade; bei Stall und Tenne: Trapezblechelemente

Besonderheiten: Innovative Kühl- und Wärmetechnik mit Einbindung der Heutrocknungsanlage; 20 Prozent des Strombedarfs durch eine eigene Photovoltaikanlage; Milch der Ziegen und Kühe wird im gleichen Gebäudekomplex verarbeitet, gelagert, verpackt und verkauft; Besucher können sämtliche landwirtschaftlichen Prozesse hautnah erleben.

Ausführung: Baumeister: Wälderbau, Schwarzenberg; Zimmerer- und Ausbau: Bilgeri, Riefensberg; Spengler: Kramser, Großdorf; Dachdecker: Felder, Andelsbuch; Elektro: Österle, Doren; Installation: Hausinstallateur, Egg; Luft & Klima: Dietrich, Lauterach; Kälte: Cofely, Lauterach; Aufstallungen: Winder, Bildstein; Sennereitechnik: Bischof, Gossau (CH); Sennereieinrichtung: Felder Mechanik, Andelsbuch; Fenster, Türen und Tore: Meusburger, Großdorf; Wand- und Deckenverkleidungen Sennerei und Reifelager: Walser, Neuwied (D); Estrich und Bodenbeschichtung: Gruber, Haldenwang (D); Warenaufzug: Doppelmayr, Wolfurt; Schließanlage: Dietrich, Dornbirn; Maler: Rüf, Mellau; Tischler: Flatz, Egg; Photovoltaikanlage: Solar Concept, Lustenau

Energiekennwert: 40 kWh/m² im Jahr
Baukosten: 1,8 Mill. Euro (netto)

Quelle: VN/ Leben & Wohnen

Für den Inhalt verantwortlich
vai Vorarlberger Architektur Institut
Mehr unter architektur vorORT auf www.v-a-i.at

Mit freundlicher Unterstützung durch Arch+Ing

 

Bewerte diesen Artikel

  •  
noch nicht bewertet

Kommentar verfassen

* markierte Felder sind Pflichtfelder.

Kommentare zu diesem Artikel

  • Interessant wäre was uns diese Selbstverwirklichung gekostet hat ( sinnlose Förderungen )