Schwabenkinder – Teil der Geschichte

Schröcken startete Jubiläumsjahr „700 Jahre Walser“ mit berührender Aufarbeitung.

Schröcken. (stp) „Es ist ein Teil unserer Geschichte – ein dunkles Kapitel“, erläuterte Schröckens Bürgermeister Herbert Schwarzmann einleitend zu einem außergewöhnlichen Kirchenkonzert, mit dem Schröcken ins Jubiläumsjahr startete. Aus dem Jahre 1313 stammt die älteste erhaltene Urkunde, die die Ansiedlung der Vorarlberger Einwanderer aus dem Schweizer Kanton Wallis dokumentiert. Dementsprechend feiern die Walser in Vorarlberg heuer ihr 700-Jahr-Jubiläum mit einer Serie von Veranstaltungen, die im September mit dem traditionellen Int. Walsertreffen in Damüls/Großwalsertal ihren Höhepunkt erlebt.

Millionen Schwabenkinder

Kapellmeister Heinz Feurstein hatte mit der Schröckener Musik ein thematisch auf die Schwabenkinder abgestimmtes Programm einstudiert, und in dieses Konzert eingebettet gab es Beiträge über die schreckliche Zeit, in der über Jahrhunderte alljährlich Tausende Kinder aus Vorarlberg, Tirol und Graubünden für sieben Monate nach Süddeutschland „verschickt“ wurden, wo sie auf Bauernhöfen zum Teil unter fürchterlichen Verhältnissen ausgebeutet wurden.„Seien wir dankbar, dass diese schreckliche Zeit, die bis Mitte des 20. Jahrhunderts dauerte, bei uns der Vergangenheit angehören, vergessen wir aber auch nicht, dass Millionen von Kindern in Asien, Afrika und Lateinamerika auch heute noch als ,Schwabenkinder‘ ausgebeutet werden“, mahnte Schwarzmann.

Berührendes Laienspiel

Höhepunkt des Abends war ein berührendes Laienschauspiel, das eindrucksvoll erinnerte, was sich über Jahrhunderte Jahr für Jahr in vielen Familien am letzten März-Wochenende – manchmal schon Ende Februar/Anfang März abspielte: die Eltern mussten sich entscheiden, welche ihrer Kinder für rund sieben Monate „verschickt“ werden. Schwester Dominika und Erzählerinnen ergänzten dieses Spiel durch Zitate und Auszüge aus der Literatur über die Schwabenkinder. „Im Sommer“, so Bürgermeister Schwarzmann, „wird diese Thematik auch durch Tafeln in der Gemeinde und im Alpmuseum dargestellt.“

Nur wenig Dokumente

„Dem damaligen Lehrer Franz Xaver Walch ist es zu verdanken, dass einige wenige Beispiele dokumentiert wurden. In den Jahren 1833 bis 1836 hat Walch sogenannte Prüfungsextrakte angefertigt. Darin führt er Schüler an, deren Schulbesuch nur wenige Monate dauerte, weil sie sich als Hirtenkinder im Schwabenland verdingen mussten. 1833 weist das Verzeichnis sogar Geburtsdaten der Kinder auf. 1836 vermerkt Walch, dass die Kinder am 28. Februar ihr Zuhause verließen, nachdem sie vier Monate „sehr fleißig“ die Schulbank gedrückt hatten. 1833/34 besuchten 39 Kinder (19 Knaben, 20 Mädchen) die Schule, nur drei werden als Schwabenkinder bezeichnet. Im Schuljahr 1835/36 gab es 34 Kinder, davon fünf Schwabenkinder. Die Zahlen für 1836/37 lauten: 28 Kinder, davon gingen fünf ins Schwabenland.

In der Region ein Thema

Dass in der Region die Schwabenkinder ein Thema sind, ist in erster Linie dem Engagement von Claudia Lang zu verdanken, die vor fast 20 Jahren für ein Theaterstück recherchiert hat und auch mit Zeitzeugen intensive Gespräche führte. In den Spielzeiten 1996 und 1997 sorgte die Thematik der Schwabenkinder auf der einzigartigen Geierwally-Freilichtbühne für Schlagzeilen – „und das war für die ganze Region ein Anstoß, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wir wollen mit unserem Beitrag zum Jubiläum dies fortsetzen“, so Schwarzmann, der den Initiatoren der Veranstaltung beim gemütlichen Ausklang im „Tannberg“ für ihr Engagement dankte. Unter den Konzertbesuchern u. a. auch Barbara Fritz, Obfrau der Vorarlberger Walservereinigung, die den weiten Anreiseweg aus dem Kleinwalsertal nicht bereute und den Akteuren viel Lob zollte. Schröckens Pfarrherr, der polnische Franziskaner Johannes Kolasa, der selbst eine kleine Nebenrolle spielte, gratulierte den Akteuren zu einem gelungenen Abend.

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