Schicksalhafte Brücke wird Gedenkstätte

Denkmal für Paul Grüninger und andere Fluchthelfer entstand durch Initiative der Grünen dies- und jenseits des Rheins.

Erich Billig war 14 Jahre alt, als die Nationalsozialisten in Österreich die Macht übernahmen. Als man seinen Vater ins KZ deportierte, beschloss die Mutter, ihr Sohn müsse fliehen. Sie selber blieb in Wien und wollte versuchen, den Vater frei zu bekommen. Erich
sah seine Mutter nie wieder. Mit zwei älteren Bekannten fuhr er los bis nach
Altach. Ein Gendarm führte sie abends zum Alten Rhein. “Wir sind geradewegs
in die Hände eines Schweizer Zollbeamten gelaufen und frühmorgens
zurückgeschickt worden. Das zweite Mal halfen uns zwei Schweizer Fluchthelfer
über den Alten Rhein, versteckten uns über Nacht bei ihrer Familie und fuhren
uns am nächsten Morgen, auf einem kleinen Laster versteckt, nach St. Gallen zur
Flüchtlingshilfe. Polizeihauptmann Paul Grüninger sagte die erlösenden Worte zu
mir: ‘Du kannst bleiben’, so der Bericht des Zeitzeugen, der später aktiv mithalf,
Grüninger zu rehabilitieren.

Denn Paul Grüninger hat zwar viele hundert Menschen vor der nationalsozialistischen Vernichtung gerettet, indem er ihnen den Aufenthalt in der Schweiz ermöglichte, musste dazu allerdings Schweizer Gesetze übertreten. Im August 1938 wurde eine totale Grenzsperre für Flüchtlinge verfügt. “Das Boot ist voll” hieß die unselige Parole.
Mit dem Ergebnis, dass über 24.000 Flüchtlinge – vor allem Juden – in den
Kriegsjahren nach geglückter Flucht wieder zurück nach Deutschland und damit in
den sicheren Tod geschickt wurden. 1939 wurde Grüninger wegen seiner
Flüchtlingshilfe fristlos entlassen und 1940 vom Bezirksgericht St. Gallen
wegen Amtspflichtverletzung und Urkundenfälschung verurteilt. Erst 1993 wurde
er rehabilitiert. Er sagte von sich: “Ich schäme mich meiner Verurteilung
nicht, ich bin stolz darauf, vielen Hunderten schwer Bedrängten das Leben
gerettet zu haben.”

Der Vorschlag der St. Galler und Vorarlberger Grünen, den Grenzübergang Hohenems-Diepoldsau als Paul-Grüninger-Brücke zu benennen, wurde von der Vorarlberger Landesregierung, der Gemeinde Diepoldsau, der Stadt Hohenems und der St. Galler Kantonsregierung unterstützt. Damit erhält das Rheintal eine angemessene Gedenkstätte zur Würdigung seiner herausragenden Persönlichkeit, stellvertretend aber auch für alle
anderen Menschen, die damals Flüchtlingen geholfen haben. Sie setzt damit aber
auch wichtige Signale, weil es heute wieder Gruppierungen gibt, die schreiben
“Das Boot ist voll”, so LAbg Bernd Bösch. Für Kantonsrat Meinrad
Gschwend soll die Benennung der Brücke die Menschen dies- und jenseits der
Grenze miteinander verbinden, aber auch an unsere Eigenverantwortung gegenüber
Schutzsuchenden gemahnen. Regierungsrat Willi Haag (St. Gallen), Landesrat
Rainer Gögele, Gemeindepräsident Roland Wälter (Diepoldsau) und Bürgermeister
Richard Amann (Hohenems) würdigten den Anlass entsprechend. Ruth
Roduner-Grüninger, Tochter des Polizeikommandanten, Hanno Loewy, Zeitzeuge Robert
Kreutner und Historiker Stefan Keller, Wolfgang Marcus (Denkstättenkurator
Oberschwaben), Manfred Lucha (LA Baden-Württemberg) sprachen über Grüningers
Lebensweg, über Verfolgung und Flucht. Trotz des unfreundlichen Wetters stieß
der Festakt auf sehr großes Interesse in der Bevölkerung. So ist Martha Domig
mit ihren Enkellinnen aus Fontanella angereist weil sie findet, dass solche Erfahrungen
an die Jugend weitergegeben werden müssen.

Anschließend wurden die beiden Brückenschilder und die Informationstafel enthüllt. Zum Abschluss spielte ein Bläser-Quintett der Militärmusik Vorarlberg den Hauptmann-Grüninger-Marsch, der von Jakob d’Orange 1938 zu Ehren seines Retters komponiert wurde. 

 

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