Geheimnis der Zahl

Reuthe – Etwas ist anders – doch was? Vor anderthalb Jahren gründlich saniert – und das heißt in diesem Fall, erneuert, denn manches war nicht zu retten – doch in seiner Art ist es ein Bregenzerwälder Bauernhaus geblieben. Was also?In den Keller muss man! Keller? Schon das ist für ein altes Bauernhaus – das Baujahr wird um 1750 angenommen – etwas Besonderes. Das Haus hat nicht nur einen Keller, es hatte einen Keller mit ca. 3 m Raumlichte. Das war damals selbst in stattlichen Wohnräumen äußerst selten. Außerordentlich – und da kommt noch mehr. Ungewöhnlich die Größe und die Lage in Gelände und Himmelsrichtung. Stehen Bregenzerwälder Bauernhäuser doch entlang dem Hang, der Wohnteil zur Morgensonne, der Bergeraum zur Wetterseite. Dagegen dieses Haus: senkrecht zum Hang, Kopfbau nach Süden.

Naheliegend, dass es sich um die Neugründung eines bäuerlichen Betriebs handelte: Ein damals neu gewählter Standort gemäß der „Vernunft“ des Betriebsablaufs, das Haus größer als zu seiner Zeit üblich (ungewöhnlich viel Vieh), neuen Wirtschaftsformen zugetan (der Keller war eine Sennerei) – Bau gewordenes Programm der ersten „Strukturreform“ im Sinn aufgeklärten Wirtschaftens der Zeit Maria Theresias und Sohn Josef II.

Was zu unserer Zeit passt, darstellbar in den Maßen. Äußerer Umfang und eben der enorme Keller erlauben es, die lichten Höhen der Wohnräume auf den heutigen Standard von 2,50 m zu bringen, indem das Erdgeschoss in den Keller gesenkt, das Obergeschoss in den Dachraum erhöht wurde. Trotz der historischen Ausgestaltung der Stuben und Kammern ergibt sich ein Raumgefühl, das zeitgemäß anmutet – anders eben als von einem historischen Haus gewohnt. Diese Orientierung am heutigen Standard bildet starke Kontraste zur Anmutung der alten Substanz. Sind Wohnräume umlaufend durch Holztäfer und gewöhnliche Fenster geprägt, so ist der ehemalige Küchenflur auf beiden Stirnseiten großzügig verglast, weiße Wände und Decke herrschen vor; gegenüber dem noch immer funktionstüchtigen Ofenherd mit allerlei Beschlag und Besatz steht die lange Küchenzeile, grifflos, weiß, Schleiflack; der neue Küchenblock mit poliertem Edelstahl gedeckt.

Unproblematisch war der Einbau einer Fußbodenheizung – musste doch der abgesenkte Boden neu aufgebaut werden. Die Decke zum Obergeschoss wurde darüber hinaus schalltechnisch ertüchtigt, jene zum Kaltdach großzügig gedämmt. Pragmatisch modern die Wahl der Oberflächen bei neuen Einbauten – sei es ein nässeunempfindlicher Terrazzo im Eingang, Stahl und Glas bei der Treppe, seien es die weißen Wände aus Gipskarton vor allem im Obergeschoss. Der Kontrast zum rohen – und sichtbar belassenen – Strick der Außenwände trägt viel zum Reiz der Räume bei, gerade hier oben in den Schlafräumen. Auch altes Bruchsteinmauerwerk wird durch Kontraste mit Neuem verstärkt. Mitunter könnte man meinen, das Alte sei dem Neuen hinzugefügt.

Das ungewöhnlich große Haus erlaubt dies alles. Es erlaubt, dass die räumliche Struktur – sieht man von der längsgestellten Treppe ab – beibehalten wird. Es erlaubt, dass noch viel Raum für Zukunft bleibt. Es erlaubt, dass Fahrzeug und Gerät unter Dach kommen. Es erlaubt sich einen freien Stand in der Landschaft, den wenige Mauern im Gelände, ein Brunnnen vor dem Eingang nicht beeinträchtigen. Und es erlaubt den eigentlich einzig neuen Raum, der Tenne abgerungen: der ins Haus gezogene, von der Wohnküche zugängliche Freisitz zur Morgensonne, freier Blick ins Tal – mittlerweile Lieblingsplatz von Jung und Alt.

Daten & Fakten

Bregenzerwälderhaus Frick

Standort: Reuthe

Planung: DI Bernd Frick

Wohnfläche: 290 m² (Nutzfläche)

Keller: 75 m²

Volumen gesamt: 1200 m³

Ausführung: 08/2010–02/2011

Bauweise

Keller: Felsstein, gemauert

Wohnteil: Strickbau, außen geschindelt, im EG innen teilweise mit bestehendem Bregenzerwälder Kassettentäfer ausgebaut

Wirtschaftsteil: Fachwerk, Felssteinmauern

Dämmung neu: Holzwolle-Platten und Weichfaserplatten, Wände 16 cm, Dach 20 cm

Fußböden: massive Eichendielen, Estrich geschliff en

Heizung: Wärmepumpe, Fußbodenheizung, Kachelofen

Innenwände neu: Holzständer, weiß mit Gipskarton,

Sichtbeton Fenster: Dreifachverglasung bzw. Bestand mit Zweifachverglasung vergütet

Ausführung

Hoher Anteil Eigenarbeit

Erd- und Baumeisterarbeiten: Moosbrugger Erich Bau GmbH, Andelsbuch

Rohbau Holzbau: Kaufmann Michael Zimmerei, Reuthe

Fenster: Feuerstein Herbert, Bizau

Innenausbau: Tischlerei Feuerstein Herbert, Bizau und Tischlerei Wolfgang Meusburger, Reuthe

Holzboden: Greußing Christian, Bezau

Holztreppe: Ing. Greußing Martin, Bezau

Ofenbau: Ratz Hubert, Egg

Metallarbeiten: Felder mechaniks, Andelsbuch

Dachdecker: Lang Robert DDM, Bizau,

Schindeln: Hager Albert, Mellau

Heizung, Sanitär: Willi Installationen, Schoppernau

Elektroarbeiten: Fidel Meusburger, Bezau

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
www.v-a-i.at

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